Freitag, 4. November 2011

Das Böse im Spiegel

Bei der Entwicklung des Antagonisten ist es notwendig, ihn nicht in klischeehafter Weise als nur böse erscheinen zu lassen. Auch der Gegenspieler muss eine nachvollziehbare Hauptabsicht haben. Unter Umständen kann er sogar sympathische Züge tragen. Im Idealfall ist er ein Spiegelbild des Protagonisten.
Die negativen Aspekte des Helden im Gegner zu spiegeln ist besonders reizvoll. Insbesondere, wenn der Held seine dunklen Seiten entdecken und nutzen muss, um seinen Feind zu besiegen. Dadurch wird er selbst ein bisschen wie der Antagonist, was seinen Charakter bricht und ihm mehr Tiefe verleiht. Gute Romane sind immer Entwicklungsromane. Für Filme gilt dasselbe.
Nehmen wir zwei Beispiele. In dem James-Bond-Film "Der Mann mit dem goldenen Colt" ist Bonds Gegner Scaramanga ein Mann wie James Bond selbst. Er ist weltgewandt, ruchlos, ein zynischer Frauenheld. Und ein Killer. Im Grunde unterscheidet ihn nichts von Bond. Er tötet Verbrecher und wird dafür bezahlt. Trotzdem steht man als Zuschauer letztlich auf Bonds Seite. Er ist eben der Gute. Der Cowboy mit dem weissen Hut.
Natürlich sind die Bond-Filme letztlich so sehr "action-driven", dass wenig Platz für ausgefeilte Charakterzeichnungen bleibt, aber die Ähnlichkeit zwischen Bond und Scaramanga ist ist von der Grundidee folgerichtig. Wohl nicht zufällig spielt die Schlussszene in einem Spiegelkabinett.
Ähnlich verhält es sich mit Rene Belloq, dem Gegenspieler von Indiana Jones in "Jäger des verlorenen Schatzes". Auch er ähnelt dem Protagonisten sehr stark. Er ist ein Archäologe mit Sinn für die Bedeutung der Kulturschätze, er ist - genau wie Indy - ein Fanatiker, dem der Job und die alten Schätze wichtiger sind als seine Mitmenschen. Indys heimliche Liebe Marion ist Belloq keineswegs abgeneigt und - ebenso wie Indy - ist er bereit für seine Ideale sein Leben zu opfern. Im Gegensatz zu Indy wird ihm sein Fanatismus allerdings zum Verhängnis. Man könnte sogar sagen, in der Szene, in der die Bundeslade geöffnet wird, platzt er vor Neugierde.
Zum Finale hin muss sich der Antagonist eines Romans, Films oder jeder anderen Art von Erzählung vom Verständnis oder gar der Sympathie des Publikums entfernen. Irgendwann muss der böse Teil seines Charakters die Oberhand gewinnen. Nur so kann es zu einem packenden Showdown kommen. Man muss es lieben, den Feind zu hassen.
Dabei erinnern wir uns daran, dass Hauptabsichten und Gegenabsichten nicht über das Finale hinaus reichen dürfen. Die Fäden müssen zusammen laufen und letztlich zerschlagen werden wie der Gordische Knoten.

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